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I. Vatikanisches Konzil


Abschluss des ersten Vatikanischen Konzils steht noch aus

Historie
Das Erste Vatikanische Konzil ist das zwanzigste Ökumenische Konzil in der Kirchengeschichte.

Es begann am 8. Dezember 1869 und musste am Vorabend des 21. Oktober 1870 jäh abgebrochen werden, da der Vatikan im Zuge des preussisch-französischen Krieges von Kriegstruppen besetzt wurde.

Hauptanlass zur Einberufung des ersten Vatikanischen Konzils war die Abwehr der das Christentum bekämpfenden Ideologien der Neuzeit.

Zur Vorbereitung des Konzils, wurden Fragen an Bischöfe versandt. Es gingen 500 Antworten ein.

Von 1050 Bischöfen und anderen Teilnahmeberechtigten nahmen 800 am Konzil teil, darunter 774 stimmberechtigte Bischöfe; die Hälfte der Teilnehmer repräsentierte europäische Diözesen.

Bischöfe aus der ganzen katholischen Welt nahmen am Konzil teil:

200 Italiener,
70 Franzosen,
40 Österreicher und Ungarn,
36 Spanier,
19 Iren,
18 Deutsche,
12 Engländer,
19 aus anderen europäischen Ländern.
50 Bischöfe der orientalischen Riten,
40 Bischöfe aus Nordamerika,
30 aus Lateinamerika,
9 aus Kanada,
100 aus den Missionsgebieten.
Die orthodoxen Bischöfe waren direkt eingeladen worden, da diese als rechtmäßig gültig geweihte Nachfolger der Apostel sind. Sie lehnten jedoch die Einladung ab.

Das Konzil tagte in insgesamt 93 Sitzungen (89 Generalkongregationen und vier feierlichen, öffentlichen Sitzungen) wobei etwa 20.000 Gläubige als Augenzeugen anwesend waren.

Papst Pius IX. eröffnete die Versammlung am 8. Dezember 1869 im Petersdom.

Der Syllabus Errorum ( Syllabus der Irrtümer, Papst Pius IX. 1864 ==> http://tinyurl.com/l8b6n6v ) bildete den Ausgangspunkt der Tagesordnung.

Am 24. April 1870 wurde die Dogmatische Konstitution DEI FILIUS (s.u.) "über den katholischen Glauben" (De fide catholica) verabschiedet, die sich mit dem Pantheismus, dem Materialismus und dem Rationalismus auseinandersetzt und die katholische Lehre über Gott, den Glauben, die Schöpfung und die Offenbarung formuliert. DEI FILIUS steht in der Tradition des SYLLABUS ERRORUM und der Enzyklika QUANTA CURA von Papst Pius IX. von 1864.

Am 18. Juli 1870 wurde die Dogmatische Konstitution PASTOR AETERNUS "beständiger Hirte" (s.u.) vom Papst unterschrieben.

Zu den Themen, die wegen der bis heute andauernden Konzilsunterbrechung nicht mehr entschieden werden konnten, gehörten die Annahme eines allgemeinen Katechismus und Disziplinarregeln für Priester.

Das in der Konstitution PASTOR AETERNUS enthaltene Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes* erklärt, dass der Papst die oberste Gerichtsbarkeit über die ganze Kirche besitzt und dass er, bei Entscheidungen, die er "ex cathedra" in Sachen der Glaubens- und Sittenlehre trifft, von Gott mit der Gnade der Unfehlbarkeit versehen ist, was bedeutet, daß dann Lehrirrtum ausgeschlossen ist. Darüber hinaus bedeutet dies, daß der Papst in seiner Eigenschaft als Oberhirte über die ganze Kirche auch ohne Zustimmung Dritter in den vorgenanten Grenzen die Lehrautorität über die ganze Kirche ausüben kann oder zuweilen auch vor Gott und seinem Gewissen auszuüben verpflichtet ist.

Dies löste während der Beratungen heftige Diskussionen, Befürwortung und Widerspruch unter den Konzilsvätern aus.

Einige Katholiken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz unter Führung des Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger weigerte sich, die Feststellungen von PASTOR AETERNUS zu akzeptieren. Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil konstituierte sich diese Gruppe zur "altkatholischen Kirche" (in der Schweiz: "christkatholische Kirche") nachdem die Glaubensverweigerer des beschlossenen Unfehlbarkeitsdogmas und des Jurisdiktionsprimats durch den Papst exkommuniziert wurden.

In der Generalabstimmung am 13. Juli 1870 stimmten schliesslich 451 Kardinäle mit Ja, 62 Kardinäle mit bedingtem Ja und 88 Kardinäle dagegen. 55 Konzilsväter reisten vorher ab, um nicht mit Nein stimmen zu müssen.

In der öffentlichen Abstimmung standen 535 Ja-Stimmen gegen nur noch 2 Nein-Stimmen.

Auch die abgereisten Opponenten unterwarfen sich später der Entscheidung - als letzter, mit neunmonatiger Verzögerung, unterwarf sich der Rottenburger Bischof Karl Joseph Hefele.

In dem Augenblick der definitiven Abstimmung zu PASTOR AETERNUS erhob sich ein sehr starker Gewittersturm über dem Vatikan. Eineinhalb Stunden lang wüteten Blitz und Donner. Eine Lampe musste zum päpstlichen Thron gebracht werden, damit Papst Pius IX. die Ergebnisse der Abstimmung und den Text des Dekrets vorlesen konnte.

In der Sitzungspause begann Frankreich einen Krieg gegen Preußen. Drei Monate nach dem Ausbruch des preussisch-französischen Krieges (Kriegsbeginn war der 18. Juli 1870), wurde das I. Vatikanische Konzil unterbrochen, da das italienische Heer der Piemontesen Rom zwischenzeitlich besetzt hielt und den Kirchenstaat komplett kontrollierte: am Vorabend zum 21. Oktober hatte der Papst das Konzil vorübergehend entlassen, in der Absicht, es nach Weihnachten zu einer neuen Session zusammenzurufen.

Dazu kam es aber nicht mehr.

Das Konzil wurde also wegen dieser extremen politischen Verhältnisse unterbrochen. Beabsichtigt war die Fortsetzung zum Beginn des darauffolgenden Jahres. Dazu ist es nicht gekommen. Fakt ist, daß seitdem der Abschluss des ersten vatikanischen Konzils aussteht.

Es ist zum aktuellen Zeitpunkt (2014-12) nicht bekannt, wann dieses Konzil fortgeführt wird, um es zum Abschluss zu bringen.

___________________
*[Canon] Wenn der römische Papst „ex Cathedra“ spricht, - das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen mit seiner höchsten Apostolischen Autorität erklärt, dass eine Lehre, die den Glauben oder das sittliche Leben betrifft, von der ganzen Kirche gläubig festzuhalten ist, - dann besitzt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei Entscheidungen in der Glaubens- und Sittenlehre ausgerüstet wissen wollte. Deshalb lassen solche Lehrentscheidungen des römischen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar schon von sich aus, nicht erst infolge der Zustimmung der Kirche. Wer sich aber vermessen sollte, was Gott verhüte, dieser Unserer Glaubensentscheidung zu widersprechen: der sei im Bann."

(PH)

Dogmatische Konstitution DEI FILIUS am 24. April 1870
Erstes Vatikanisches Konzil
unter unserem Heiligen Vater
Pius IX.

Dogmatische Konstitution DEI FILIUS

über den katholischen Glauben

24. April 1870

+ + +

Der Sohn Gottes und Erlöser des Menschengeschlechtes, unser Herr Jesus Christus, hat vor seinem Heimgang zum himmlischen Vater versprochen, Er wolle bei seiner auf Erden kämpfenden Kirche sein alle Tage bis ans Ende der Welt. Darum ist auch in der Tat kein Augenblick verflossen, wo Er nicht bei seiner geliebten Braut gewesen wäre: Er stand ihr bei, wenn sie lehrte; Er segnete sie, wo sie wirkte; Er half ihr, wann immer sie bedroht war. Allzeit tat sich seine heilbringende Vorsehung in unzähligen Wohltaten kund.

Ganz einzigartig aber zeigte sie sich erfahrungsgemäß an den Früchten, die dem christlichen Erdkreis in reicher Fülle aus den allgemeinen Konzilien erwuchsen. Namentlich gilt dies, obgleich es in so unheilvollen Zeiten stattfand, vom Trienter Konzil. Dort wurden die heiligen Glaubenssätze der Religion genauer bestimmt und ausführlicher dargelegt, die Irrtümer verurteilt und eingedämmt. Von dort ging die Wiederherstellung und feste Ordnung der Kirchenzucht aus: Im Klerus wurde der Eifer für Wissenschaft und Frömmigkeit gefördert; es wurden Seminare errichtet, um junge Leute zum heiligen Dienst heranzubilden; und nicht zuletzt wurde durch sorgfältigem Unterricht der Gläubigen und eifrigem Empfang der Sakramente die sittliche Erneuerung des christlichen Volkes angebahnt. Den Konzilien verdanken wir auch das innigere Verbundensein der Glieder mit dem sichtbaren Haupt, und die Vermehrung der Lebenskraft im ganzen mystischen Leib Christi; ihnen auch die starke Zunahme an religiösen Genossenschaften und andern Anstalten christlicher Frömmigkeit. Die Konzilien haben endlich jenen unermüdlichen und bis zum Blutvergießen standhaften Eifer entfacht, der darnach brennt, Christi Reich über die ganze Welt hin zu verbreiten.

Mit schuldiger Dankbarkeit gedenken Wir diese und der andern großen Vorteile, die Gottes Güte der Kirche besonders durch das letzte allgemein Konzil zuteil werden ließ.

Freilich vermögen Wir dabei den herben Schmerz nicht zu unterdrücken, den Wir über die schweren Übel empfinden, wie sie zumeist aus der Missachtung weiter Kreise gegenüber der Autorität dieser heiligen Synode oder aus der Nichtbefolgung ihrer so weisen Beschlüsse entsprungen sind. Es ist ja allgemein bekannt, wie die von den Konzilsvätern zu Trient verworfenen Irrlehren allmählich in zahlreiche Sekten sich verzweigten, durch deren Uneinigkeit und Hader bei vielen schließlich jeder Glaube an Christus erschüttert wurde. Kein Wunder auch: Das gottgesetzte Lehramt der Kirche wies man zurück und überließ die Entscheidung in religiösen Fragen dem Gutdünken eines jeden einzelnen. Sogar die Heilige Schrift die man doch anfangs als die einzige Quelle und Regel der christlichen Lehre hinstellte, will mal jetzt nicht mehr als von Gott gegeben ansehen, sondern man hat sich unterfangen, sie zu den mythischen Dichtungen zu zählen. Dann entstand die bekannte Lehre des Rationalismus und Naturalismus, und fand nur zu weit Verbreitung in der Menschheit. Sie steht in vollem Gegensatz zur christlichen Religion, dieser ganz übernatürlichen Institution. Sie strebt mit aller Macht darnach, Christus, unsern alleinigen Herrn und Erlöser, aus den Herzen der Menschen, aus dem öffentlichen Leben und der Kultur der Völker zu verbannen. Dafür soll das Reich der bloßen Vernunft oder Natur, wie sie es nennen, aufgerichtet werden. Nachdem aber einmal alle christliche Religion preisgegeben und weggeworfen, der wahre Gott und sein Gesalbter weggeleugnet war, stürzten viele Geister in den Abgrund des Pantheismus, Materialismus und Atheismus. Zuletzt ist die Folge, dass man sogar die vernünftige Menschennatur leugnet, keinerlei Regel rechten und sittlichen Tuns gelten lässt, und so auf die Zerstörung auch der tiefsten Grundlagen der menschlichen Gesellschaft hinarbeitet.

Bei diesem allgemein um sich greifenden Unglauben irrten leider auch einige Söhne der katholischen Kirche vom Weg der wahren Frömmigkeit ab, und mit dem Verblassen der Glaubenswahrheiten schwand in ihnen allmählich auch die echt katholische Gesinnung. Unter dem Einfluss verschiedengerichteter, fremdartiger Lehrsysteme (Vgl. Hebr 13,9) vermengen und verwischen sie, wie man deutlich sehen kann, die Begriffe von Natur und Gnade, von menschlichem Wissen und göttlichem Glauben. Dadurch aber entstellen sie offensichtlich den wahren, klaren Sinn der Dogmen, wie ihn unsere heilige Mutter, die Kirche, versteht und lehrt, und gefährden so schwer die Unversehrtheit und Reinheit des Glaubens.

Muss nicht die Erkenntnis solcher Tatsachen das Herz der Kirche aufs tiefste bewegen? Gott will doch, dass alle Menschen das Heil finden und zur Erkenntnis der berufen Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4) Christus ist gekommen, zu retten, was verloren war (Mt 18,11) und die zerstreuten Kinder Gottes zur Einheit zu führen (Joh 11,52) und ebenso ist auch die Kirche von Gott zur Mutter und Lehrerin aller Völker bestellt, und fühlt sich deshalb allen verpflichtet. Immerdar ist sie bereit und darauf bedacht, die Gefallenen aufzurichten, die Wankenden zu stützen, die Zurückkehrenden liebevoll zu umfangen, die Guten zu stärken und zu immer höherem Streben anzuleiten. Aus diesem Grunde darf die Kirche niemals aufhören, das Heilmittel für alle Schäden, die göttliche Wahrheit, zu bezeugen und zu verkünden. Denn sie ist überzeugt, dass ihr das Schriftwort gilt: "Mein Geist, der auf dir ruht, und meine Worte, die im in deinen Mund gelegt, sie sollen nimmermehr von deinem Munde weichen von nun an bis in Ewigkeit" (Is 59,21).

Demnach haben auch Wir nach dem Beispiel Unserer Vorgänger und getreu der Pflicht, die Unser höchstes apostolisches Amt Uns auferlegt, es niemals versäumt, die katholische Wahrheit zu lehren und zu verteidigen, irrige Lehren aber zurückzuweisen. Gegenwärtig vereinigen sich nun mit Uns als Glaubensrichter die Bischöfe des gesamten Erdkreises, die Wir kraft Unserer Vollmacht zu diesem allgemeinen Konzil im Heiligen Geist zusammengerufen haben. So haben Wir denn beschlossen, von diesem Lehrstuhl Petri aus der ganzen Welt die heilbringende Lehre Christ feierlich vorzulegen und zu erklären, die entgegenstehenden Irrtümer aber kraft der Uns von Gott verliehenen Gewalt zu verurteilen und zu verwerfen. Wir stützen Uns dabei auf das geschriebene und überlieferte Gotteswort, das die katholische Kirche stets sorgfältig gehütet und irrtumsfrei erklärt hat, und das Wir von ihr überkommen haben.

Kap. 1 Gott der Schöpfer aller Dinge

Die heilige katholische apostolische Römische Kirche glaubt und bekennt, daß ein wahrer und lebendiger Gott ist, Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermeßlich, unbegreiflich, an Vernunft und Willen sowie jeglicher Vollkommenheit unendlich; da er eine einzige, gänzlich einfache und unveränderliche geistige Substanz ist, ist er als der Sache und dem Wesen nach von der Welt verschieden zu verkünden, als in sich und aus sich vollkommen selig und über alles, was außer ihm ist und gedacht werden kann, unaussprechlich erhaben [Kan. 1-4].

Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und „allmächtigen Kraft" - nicht um seine Seligkeit zu vermehren, noch um Vollkommenheit zu erwerben, sondern um seine Vollkommenheit zu offenbaren durch die Güter, die er den Geschöpfen gewährt - aus völlig freiem Entschluß „vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt: und danach die menschliche, die gewissermaßen zugleich aus Geist und Körper besteht" [4. Konzil im Lateran: DH 800; im folgenden Kan. 2 und 5].

Alles aber, was er geschaffen hat, schützt und lenkt Gott durch seine Vorsehung, „sich kraftvoll von einem Ende bis zum anderen erstreckend und alles milde ordnend" [Weish 8,1]. „Alles nämlich ist nackt und bloß vor seinen Augen" [Hebr 4,13], auch das, was durch die freie Tat der Geschöpfe geschehen wird.

Kap. 2 Die Offenbarung

Dieselbe heilige Mutter Kirche hält fest und lehrt, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen gewiß erkannt werden kann; „das Unsichtbare an ihm wird nämlich seit der Erschaffung der Welt durch das, was gemacht ist, mit der Vernunft geschaut [Röm 1,20]: jedoch hat es seiner Weisheit und Güte gefallen, auf einem anderen, und zwar übernatürlichen Wege sich selbst und die ewigen Ratschlüsse seines Willens dem Menschengeschlecht zu offenbaren, wie der Apostel sagt: „Oftmals und auf vielfache Weise hat Gott einst zu den Vätern in den Propheten gesprochen: zuletzt hat er in diesen Tagen zu uns gesprochen in seinem Sohn" [Hebr 1,1f; Kan. 1].

Zwar ist es dieser göttlichen Offenbarung zuzuschreiben, daß das, was an den göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch bei der gegenwärtigen Verfaßtheit des Menschengeschlechtes von allen ohne Schwierigkeit, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung eines Irrtums erkannt werden kann1. Jedoch ist die Offenbarung nicht aus diesem Grund unbedingt notwendig zu nennen, sondern weil Gott aufgrund seiner unendlichen Güte den Menschen auf ein übernatürliches Ziel hinordnete, nämlich an den göttlichen Gütern teilzuhaben, die das Erkenntnisvermögen des menschlichen Geistes völlig übersteigen; denn „kein Auge hat gesehen, kein Ohr hat gehört, noch ist in das Herz eines Menschen gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" [1 Kor 2,9; Kan. 2 und 3].

Diese übernatürliche Offenbarung ist nun nach dem vom heiligen Konzil von Trient erklärten Glauben der gesamten Kirche enthalten „in geschriebenen Büchern und ungeschriebenen überlieferungen, die, von den Aposteln aus dem Munde Christi selbst empfangen oder von den Aposteln selbst auf Diktat des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand weitergegeben, bis auf uns gekommen sind" [ DH 1501]. Und zwar sind diese Bücher des Alten und Neuen Testamentes vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie im Dekret desselben Konzils aufgezählt werden und in der alten lateinischen Vulgata-Ausgabe enthalten sind, als heilig und kanonisch anzunehmen. Die Kirche hält sie aber nicht deshalb für heilig und kanonisch, weil sie allein durch menschlichen Fleiß zusammengestellt und danach durch ihre Autorität gutgeheißen worden wären; genaugenommen auch nicht deshalb, weil sie die Offenbarung ohne Irrtum enthielten; sondern deswegen, weil sie, auf Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben, Gott
zum Urheber haben und als solche der Kirche selbst übergeben worden sind [Kan. 4].

Da aber, was das heilige Konzil von Trient über die Auslegung der göttlichen Schrift zur Zügelung leichtfertiger Geister heilsam beschlossen hat, von manchen Menschen verkehrt dargestellt wird, erneuern Wir ebendieses Dekret und erklären, daß dies sein Sinn ist: In Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, ist jener als der wahre Sinn der heiligen Schrift anzusehen, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält, deren Aufgabe es ist, über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen; und deshalb ist es niemandem erlaubt, die heilige Schrift gegen diesen Sinn oder auch gegen die einmütige übereinstimmung der Väter auszulegen.
Cap. 3 De fide

Kap. 3 Der Glaube

Da der Mensch ganz von Gott als seinem Schöpfer und Herrn abhängt und die geschaffene Vernunft der ungeschaffenen Wahrheit völlig unterworfen ist, sind wir gehalten, dem offenbarenden Gott im Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und des Willens zu leisten [Kan. 1]. Dieser Glaube aber, der der Anfang des menschlichen Heiles ist [vgl. DH 1532], ist nach dem Bekenntnis der katholischen Kirche eine übernatürliche Tugend, durch die wir mit Unterstützung und Hilfe der Gnade Gottes glauben, daß das von ihm Geoffenbarte wahr ist, nicht wegen der vom natürlichen Licht der Vernunft durchschauten inneren Wahrheit der Dinge, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann [vgl. DH 2778; Kan. 2]. „Der Glaube ist nämlich" nach dem Zeugnis des Apostels „die Gewißheit zu erhoffender Dinge, der Beweis des nicht Sichtbaren" [Hebr 11,1].

Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend [vgl. Röm 12,1] sei, wollte Gott, daß mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden, nämlich göttliche Taten und vor allem Wunder und Weissagungen, die, da sie Gottes Allmacht und unendliches Wissen klar und deutlich zeigen, ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung sind [Kan. 3 und 4]. Deshalb haben sowohl Moses und die Propheten als auch vor allem Christus, der Herr, selbst viele und ganz offensichtliche Wunder und Weissagungen getan; und von den Aposteln lesen wir: „Jene aber brachen auf und predigten überall; der Herr wirkte mit und bestätigte ihre Rede durch nachfolgende Zeichen" [Mk 16,20]. Und wiederum steht geschrieben: „Wir haben ein noch festeres Prophetenwort: ihr tut gut daran, darauf zu achten wie auf ein leuchtendes Licht an finsterem Ort" [2 Petr 1,19].

Wenn aber auch die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist, so kann dennoch niemand „der Verkündigung des Evangeliums zustimmen", wie es nötig ist, um das Heil zu erlangen, „ohne die Erleuchtung und Einhauchung des Heiligen Geistes, der allen die Freude verleiht, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben" [2. Synode von Orange: DH 377]. Deshalb ist der Glaube selbst in sich, auch wenn er nicht durch die Liebe wirkt [vgl. Gal 5,6], ein Geschenk Gottes, und sein Akt ist ein das Heil betreffendes Werk, durch das der Mensch Gott selbst freien Gehorsam leistet, indem er seiner Gnade, der er widerstehen könnte, zustimmt und mit ihr wirkt [vgl. DH 1525f; Kan. 5].

Mit göttlichem und katholischem Glauben ist ferner all das zu glauben, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche - sei es in feierlicher Entscheidung oder kraft ihres gewöhnlichen und allgemeinen Lehramtes - als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird.

Weil es aber „ohne Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen" [Hebr 11,6] und zur Gemeinschaft seiner Söhne zu gelangen, so wurde niemandem jemals ohne ihn Rechtfertigung zuteil, und keiner wird das ewige Leben erlangen, wenn er nicht in ihm ausgeharrt hat bis ans Ende" [Mt 10,22; 24,13]. Damit wir aber der Pflicht, den wahren Glauben zu umfassen und in ihm beständig zu verharren, Genüge tun könnten, hat Gott durch seinen einziggeborenen Sohn die Kirche eingesetzt und so mit offensichtlichen Kennzeichen seiner Einsetzung ausgestattet, daß sie als Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes von allen erkannt werden kann.

Allein auf die katholische Kirche nämlich erstreckt sich all das, was göttlicherseits zur einsichtigen Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens so vielfältig und so wunderbar angeordnet wurde. Ja, auch die Kirche selbst ist durch sich - nämlich wegen ihrer wunderbaren Ausbreitung, außerordentlichen Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit an allem Guten, wegen ihrer katholischen Einheit und unbesiegten Beständigkeit - ein mächtiger und fortdauernder Beweggrund der Glaubwürdigkeit und ein unwiderlegbares Zeugnis ihrer göttlichen Sendung.

So kommt es, daß sie als Zeichen, das aufgerichtet ist für die Völker [vgl. Jes 11,12], sowohl jene zu sich einlädt, die noch nicht geglaubt haben, als auch ihren Kindern die Gewißheit verleiht, daß der Glaube, den sie bekennen, sich auf eine unerschütterliche Grundlage stützt. Zu diesem Zeugnis tritt nun die wirksame Hilfe aus der Kraft von oben. Denn der überaus gütige Herr erweckt die Irrenden durch seine Gnade und hilft ihnen, damit sie „zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" [1 Tim 2,4] können, und stärkt die, welche er aus der Finsternis in sein wunderbares Licht versetzt hat [vgl. 1 Petr 2,9; Kol 1,13], mit seiner Gnade, damit sie in ebendiesem Lichte verharren, sie nicht verlassend, wenn er nicht verlassen wird vgl. DH 1537].

Deshalb ist die Lage derer, die sich durch das himmlische Geschenk des Glaubens der katholischen Wahrheit angeschlossen haben, und derer, die, geführt von menschlichen Meinungen, einer falschen Religion folgen, keineswegs gleich; jene nämlich, die den Glauben unter dem Lehramt der Kirche angenommen haben, können niemals einen triftigen Grund haben, ebendiesen Glauben zu wechseln oder in Zweifel zu ziehen Kan. 6]. Da dies so ist, sollen wir, „Gott, dem Vater, Dank sagend, der uns würdig gemacht hat, teilzuhaben am Los der Heiligen im Licht" [Kol 1,12], solch großes Heil nicht geringachten [vgl. Hebr 2,3], sondern „auf Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens, hinblickend" Hebr 12,2] „das unbeugsame Bekenntnis unserer Hoffnung festhalten" [Hebr 10,23].

Kap. 4 Glaube und Vernunft

Auch dies hielt und hält das fortwährende Einverständnis der katholischen Kirche fest, daß es eine zweifache Ordnung der Erkenntnis gibt, die nicht nur im Prinzip, sondern auch im Gegenstand verschieden ist: und zwar im Prinzip, weil wir in der einen mit der natürlichen Vernunft, in der anderen mit dem göttlichen Glauben erkennen; im Gegenstand aber, weil uns außer dem, wozu die natürliche Vernunft gelangen kann, in Gott verborgene Geheimnisse zu glauben vorgelegt werden, die, wenn sie nicht von Gott geoffenbart wären, nicht bekannt werden könnten [Kan. 1].

Deshalb sagt der Apostel, der bezeugt, daß Gott von den Völkern „durch das, was gemacht ist" [Röm 1,20], erkannt worden sei, indem er dennoch über die Gnade und Wahrheit, die durch Jesus Christus geworden ist [vgl. Joh 1,17], handelt: „Wir reden im Geheimnis von Gottes Weisheit, die verborgen ist, die Gott vor den Zeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmte, die niemand von den Fürsten dieser Welt erkannt hat. Uns aber hat Gott durch seinen Geist geoffenbart: Der Geist erforscht nämlich alles, auch die Tiefen Gottes" [1 Kor 2,7f 10]. Und der Einziggeborene selbst preist den Vater, weil er dies vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Kleinen geoffenbart hat [vgl. Mt 11,25].

Zwar erlangt die vom Glauben erleuchtete Vernunft, wenn sie fleißig, fromm und nüchtern forscht, sowohl aufgrund der Analogie mit dem, was sie auf natürliche Weise erkennt, als auch aufgrund des Zusammenhanges der Geheimnisse selbst untereinander und mit dem letzten Zweck des Menschen mit Gottes Hilfe eine gewisse Erkenntnis der Geheimnisse, und zwar eine sehr fruchtbare; niemals wird sie jedoch befähigt, sie genauso zu durchschauen wie die Wahrheiten, die ihren eigentlichen gegenstand ausmachen. Denn die göttlichen Geheimnisse übersteigen ihrer eigenen Natur nach so den geschaffenen Verstand, daß sie, auch wenn sie durch die Offenbarung mitgeteilt und im Glauben angenommen wurden, dennoch mit dem Schleier des Glaubens selbst bedeckt und gleichsam von einem gewissen
Dunkel umhüllt bleiben, solange wir in diesem sterblichen Leben „ferne vom Herrn pilgern: im Glauben nämlich wandeln wir und nicht im Schauen" [2 Kor 5,6f].

Aber auch wenn der Glaube über der Vernunft steht, so kann es dennoch niemals eine wahre Unstimmigkeit zwischen Glauben und Vernunft geben [vgl. DH 2776 DH 2811]: denn derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben eingießt, hat in den menschlichen Geist das Licht der Vernunft gelegt; Gott aber kann sich nicht selbst verleugnen, noch jemals Wahres Wahrem widersprechen. Der unbegründete Anschein eines solchen Widerspruchs aber entsteht vor allem daraus, daß entweder die Lehrsätze des Glaubens nicht im Sinne der Kirche verstanden und erläutert wurden oder Hirngespinste für Aussagen der Vernunft gehalten werden. „Wir definieren" also, daß jede der Wahrheit des erleuchteten Glaubens entgegengesetzte Behauptung völlig falsch ist" [5. Konzil im
Lateran: DH 1441].

Weiter hat die Kirche, die zusammen mit dem apostolischen Amt der Lehre den Auftrag empfangen hat, die Hinterlassenschaft des Glaubens zu hüten, von Gott auch das Recht und die Pflicht, Erkenntnis", die fälschlich diesen Namen trägt [vgl. 1 Tim 6,20], zu ächten, damit keiner durch Philosophie und eitlen Trug getäuscht werde [vgl. Kol 2,8; Kan. 2].

Deswegen ist nicht nur allen gläubigen Christen verboten, solche Meinungen, von denen man erkennt, daß sie der Lehre des Glaubens entgegengesetzt sind - vor allem, wenn sie von der Kirche verworfen wurden -, als rechtmäßige Folgerungen der Wissenschaft zu verteidigen, sondern sie sind vielmehr durchaus verpflichtet, sie für Irrtümer zu halten, die den trügerischen Schein von Wahrheit vor sich hertragen.

Auch können Glaube und Vernunft nicht nur niemals untereinander unstimmig sein, sondern sie leisten sich auch wechselseitig Hilfe [vgl. DH 2776 DH 2811]; denn die rechte Vernunft beweist die Grundlagen des Glaubens und bildet, von seinem Licht erleuchtet, die Wissenschaft von den göttlichen Dingen aus; der Glaube aber befreit und schützt die Vernunft vor Irrtümern und stattet sie mit vielfacher Erkenntnis aus.

Deswegen ist es weit gefehlt, daß die Kirche der Pflege der menschlichen Künste und Wissenschaften Widerstand leiste; vielmehr unterstützt und fördert sie diese auf vielfache Weise. Denn weder verkennt noch verachtet sie die Vorteile, die aus ihnen für das Leben der Menschen entspringen; vielmehr räumt sie ein: wie sie von Gott, dem Herrn der Wissenschaften [vgl. 1 Sam 2,3], ausgegangen sind, so führen sie, wenn sie in rechter Weise ausgeübt werden, mit Hilfe seiner Gnade zu Gott hin.

Auch verbietet sie keineswegs, daß diese Wissenschaften in ihrem jeweiligen Bereich ihre eigenen Prinzipien und ihre eigene Methode anwenden; diese gerechtfertigte Freiheit anerkennend, achtet sie aber eifrig darauf, daß sie nicht der göttlichen Lehre widerstreiten und so Irrtümer in sich aufnehmen oder in überschreitung ihrer eigenen Grenzen das, was des Glaubens ist, in Beschlag nehmen und durcheinanderbringen.

Die Lehre des Glaubens, die Gott geoffenbart hat, wurde nämlich nicht wie eine philosophische Erfindung den menschlichen Geistern zur Vervollkommnung vorgelegt, sondern als göttliche
Hinterlassenschaft der Braut Christi anvertraut, damit sie treu gehütet und unfehlbar erklärt werde. Daher ist auch immerdar derjenige Sinn der heiligen Glaubenssätze beizubehalten, den die heilige Mutter Kirche einmal erklärt hat, und niemals von diesem Sinn unter dem Anschein und Namen einer höheren Einsicht abzuweichen [Kan. 3]. So wachse denn und gedeihe in reichem und starkem Maße im Laufe der Zeiten und Jahrhunderte Erkenntnis, Wissenschaft und Weisheit sowohl in einem jeden als auch allen, sowohl im einzelnen Menschen als auch in der ganzen Kirche: aber lediglich der ihnen zukommenden Weise, nämlich in derselben Lehre, demselben Sinn und derselben Auffassung".

[ Canones ]

I. Gott, der Schöpfer aller Dinge

1. [Canon] Wer den einen wahren Gott, den Schöpfer und Herrn des Sichtbaren und Unsichtbaren, leugnet: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3001].

2. [Canon] Wer sich nicht scheut zu behaupten, es gebe nichts außer Materie: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3002].

3. [Canon] Wer sagt, die Substanz oder Wesenheit Gottes und aller Dinge sei ein und dieselbe: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3001].

4. [Canon] Wer sagt, die endlichen Dinge - sowohl die körperlichen als auch die geistigen oder wenigstens die geistigen - seien aus der göttlichen Substanz ausgeflossen, oder die göttliche Wesenheit werde durch Offenbarung oder Entwicklung ihrer selbst alles, oder schließlich, Gott sei das allgemeine bzw. unbestimmte Seiende, das, sich selbst bestimmend, die in Arten, Gattungen und Einzelwesen unterschiedene Gesamtheit der Dinge bildet: der sei mit dem Anathema belegt.

5. [Canon] Wer nicht bekennt, daß die Welt und alle Dinge, die in ihr enthalten sind - sowohl die geistigen als auch die materiellen -, ihrem ganzen Wesen nach von Gott aus nichts hervorgebracht wurden, oder sagt, Gott habe nicht durch seinen von jeder Notwendigkeit freien Willen, sondern so notwendig geschaffen, wie er sich selbst notwendig liebt, oder leugnet, daß die Welt zur Ehre Gottes geschaffen ist: der sei mit dem Anathema belegt.

II. Die Offenbarung

1. [Canon] Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer und Herr, könne nicht durch das, was gemacht ist, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft sicher erkannt werden: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3004].

2. [Canon] Wer sagt, es sei unmöglich oder unnütz, daß der Mensch durch die göttliche Offenbarung über Gott und die ihm zu erweisende Verehrung belehrt werde: der sei mit dem Anathema belegt.

3. [Canon] Wer sagt, der Mensch könne nicht von Gott zu einer Erkenntnis und Vollkommenheit emporgehoben werden, die die natürliche übertrifft, sondern könne und müsse aus sich selbst in beständigem Fortschritt schließlich zum Besitz alles Wahren und Guten gelangen: der sei mit dem Anathema belegt.

4. [Canon] Wer die Bücher der heiligen Schrift nicht vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie das heilige Konzil von Trient aufgezählt hat [ DH 1501-1508], als heilig und kanonisch annimmt oder leugnet, daß sie von Gott inspiriert sind: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3006].

III. Der Glaube

1. [Canon] Wer sagt, die menschliche Vernunft sei so unabhängig, daß ihr der Glaube von Gott nicht befohlen werden könne: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3008].

2. [Canon] Wer sagt, der göttliche Glaube unterscheide sich nicht vom natürlichen Wissen über Gott und die sittlichen Dinge, und deswegen sei es für den göttlichen Glauben nicht erforderlich, daß die geoffenbarte Wahrheit wegen der Autorität des offenbarenden Gottes geglaubt werde: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. 3008].

3. [Canon] Wer sagt, die göttliche Offenbarung könne nicht durch äußere Zeichen glaubhaft gemacht werden, und deshalb müßten die Menschen allein durch die innere Erfahrung eines jeden oder durch persönliche Eingebung zum Glauben bewegt werden: der sei mit dem Anathema belegt vgl. DH 3009].

4. [Canon] Wer sagt, es könnten keine Wunder geschehen und daher seien alle Erzählungen darüber - auch die in der heiligen Schrift enthaltenen - unter die Fabeln oder Mythen zu verweisen; oder Wunder könnten niemals sicher erkannt werden und durch sie werde der göttliche Ursprung der christlichen Religion nicht zurecht bewiesen: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3009].

5. [Canon] Wer sagt, die Zustimmung zum christlichen Glauben sei nicht frei, sondern werde durch Beweise der menschlichen Vernunft notwendig hervorgebracht; oder die Gnade Gottes sei allein zum lebendigen Glauben, der durch die Liebe wirkt [vgl. Gal 5,6], notwendig: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3010].

6. [Canon] Wer sagt, die Lage der Gläubigen und derer, die noch nicht zum einzig wahren Glauben gelangt sind, sei gleich, so daß Katholiken einen triftigen Grund haben können, den Glauben, den sie unter dem Lehramt der Kirche schon angenommen haben, nach Aufhebung der Zustimmung in Zweifel zu ziehen, bis sie einen wissenschaftlichen Beweis für die Glaubwürdigkeit und Wahrheit ihres Glaubens erbracht haben: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3014].

IV. Glaube und Vernunft

1. [Canon] Wer sagt, in der göttlichen Offenbarung seien keine wahren Geheimnisse im eigentlichen Sinne enthalten, sondern die gesamten Lehrsätze des Glaubens könnten durch eine recht unterwiesene Vernunft aus natürlichen Prinzipien verstanden und bewiesen werden: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3015f].

2. [Canon] Wer sagt, die menschlichen Wissenschaften seien mit einer solchen Freiheit auszuüben, daß ihre Behauptungen, auch wenn sie der geoffenbarten Lehre widerstreiten, als wahr festgehalten und von der Kirche nicht verworfen werden können: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. 3017].

3. [Canon] Wer sagt, es könne geschehen, daß den von der Kirche vorgelegten Lehrsätzen einmal entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft ein anderer Sinn zuzuschreiben sei als der, den die Kirche gemeint hat und meint: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. DH 3020].

In Erfüllung Unsrer obersten Hirtenpflicht bitten und beschwören Wir um der Liebe Jesu Christi willen alle Christgläubigen, namentlich aber jene, die ein Vorsteher- oder Lehramt bekleiden, ja Wir befehlen ihnen im Namen desselben Gottes und unsres Heilandes, mit allem Eifer dahin zu wirken, dass diese Irrtümer von der heiligen Kirche abgewehrt und ausgeschieden werden, und dass das Licht des Glaubens in voller Reinheit erstrahle. Dazu ist es aber nicht genug, bloß die Sünde der Häresie zu vermeiden; man muss vielmehr auch jenen falschen Lehren sorgfältig ausweichen, die ihr mehr oder weniger nahe stehen. Daher mahnen Wir alle an die Pflicht, auch den Erlassen und Dekreten zu gehorchen, durch die solche verkehrte Ansichten, die hier nicht ausdrücklich aufgezählt sind, von diesem heiligen Stuhle verworfen und verboten worden sind.

Gegeben zu Rom
in feierlicher, öffentlicher Sitzung in der Vatikanischen Basilika,
im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1870,
am 24. April.
Im vierundzwanzigsten Jahr Unseres Pontifikats.
So geschehen.

Joseph,
Bischof von St. Pölten,
Sekretär des Vatikanischen Konzils

PIUS PP. IX.

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(PH - q6pcbxq)

Dogmatische Konstitution PASTOR AETERNUS am 18. Juli 1870
I. Vatikanisches Konzil

Dogmatische Konstitution PASTOR AETERNUS

erlassen in der vierten Sitzung
des hochheiligen allgemeinen Vatikanischen Konzils

Pius Bischof, Knecht der Knechte Gottes,
mit Bestimmung des heiligen Konzils
zum immerwährenden Gedächtnis
ÜBER DIE KIRCHE CHRISTI

18.7.1870

Der ewige Hirt und Bischof unsrer Seelen wollte seinem Werk der Erlösung und des Heils durch alle Zeiten Dauer verleihen. Deshalb beschloss Er, die heilige Kirche zu erbauen, in der als im Haus des lebendigen Gottes alle Christen durch das Band Eines Glaubens und Einer Liebe vereint sein sollten. Und so hat Er, bevor Er in seine Herrlichkeit einging, den Vater für die Apostel, aber nicht bloß für sie, sondern auch für alle, die einmal durch deren Predigtwort an Ihn glauben würden: sie möchten alle Eins sein, wie Er, der Sohn und der Vater Eins sind. Daher hat Er die Apostel, die Er sich aus der Welt erwählte, ausgesandt, gleichwie Er selbst vom Vater gesandt war und ebenso wollte Er, dass sich in seiner Kirche Hirten und Lehrer fänden bis ans Ende der Zeiten. Um aber den Episkopat selbst in voller Einigkeit zusammenzuhalten und um durch die geschlossene Einheit des Priestertums zugleich die Gesamtheit der Gläubigen in der Einheit des Glaubens und der Liebesgemeinschaft zu bewahren, hat Christus den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und so in ihm dieser zweifachen Einheit einen beständigen Quell und ein sichtbares Fundament gegeben. Auf diesem starken Grunde sollte der ewige Tempel erbaut werden und auf seines [des hl. Petrus] Glaubens Festigkeit sollte die Kirche sich erheben und hineinwachsen bis in den Himmel.

Dieses von Gott gelegte Fundament ist es, gegen das die Gewalten der Hölle mit täglich wachsendem Hass von allen Seiten Sturm laufen, um dadurch, wenn das möglich wäre, die Kirche selbst zum Einsturz zu bringen. Darum erachten Wir es zum Schutz, zur Sicherheit und zum Gedeihen der katholischen Herde für notwendig, die Lehre von der Einsetzung vom ununterbrochenen Fortbestand und vom Wesen des heiligen Apostolischen Primates, unter Zustimmung des heiligen Konzils, darzulegen, so wie sie im Glauben der Gesamtkirche von altersher unverändert enthalten war. Sie soll allen Christen zu gläubigem Festhalten vorgelegt werden, denn im Primat ist ja die machtvolle Festigkeit der gesamten Kirche begründet. Die entgegenstehenden Irrtümer aber, die der Herde des Herrn so verderblich sind, sollen gekennzeichnet und verurteilt werden.

Wir lehren also und erklären: Nach den Berichten des Evangeliums wurde der Jurisdiktionsprimat (Regierungsvorrang) über die ganze Kirche Gottes von Christus dem Herrn unmittelbar und direkt dem heiligen Apostel Petrus verheißen und übertragen. Denn Simon allein ist es, zu dem der Herr schon lang zuvor das Wort gesprochen hatte: „Du sollst Kephas, Fels, genannt werden. Und Simon allein ist es, an den der Herr nach dessen Bekenntnis: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!" die feierliche Erklärung richtete: „Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas! Denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist. Und im sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will im meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Dir will im die Schlüssel des Himmelreimes geben. Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein." Simon Petrus allein endlich verlieh Jesus nach seiner Auferstehung die oberste Hirten- und Führergewalt über seine ganze Herde mit den Worten: „Weide meine Lämmer. Weide meine Schafe."

Zu dieser ganz eindeutigen Lehre der Heiligen Schrift, die die katholische Kirche allezeit auch in diesem Sinn verstanden hat, stehen in offenem Gegensatze gewisse verwerfliche Ansichten, deren Vertreter die von Christus dem Herrn seiner Kirche gegebene Regierungsform umstürzen wollen, indem sie leugnen, dass Petrus allein vor den übrigen Aposteln - und zwar vor jedem einzelnen wie vor ihrer Gesamtheit - von Christus mit dem wahren und eigentlichen Jurisdiktionsprimat ausgerüstet wurde; oder indem sie behaupten, der Primat sei nicht unmittelbar und direkt dem heiligen Petrus selbst, sondern der Kirche übertragen und erst durch die Kirche an Petrus als ihren Diener weitergegeben worden.

[Canon] Wenn daher jemand sagt, der heilige Apostel Petrus sei von Christus dem Herrn nicht zum Fürsten aller Apostel und zum sichtbaren Haupte der ganzen kämpfenden Kirche eingesetzt worden, oder er habe von Jesus Christus, unserm Herrn, bloß einen Ehrenprimat, nicht aber den wahren und eigentlichen Regierungsprimat direkt und unmittelbar erhalten, so sei er im Bann.

Was aber der Fürst aller Hirten und große Hüter seiner Schafe Christus Jesus der Herr, zum immerwährenden Heil und Wohl der Kirche im heiligen Apostel Petrus eingesetzt hat, das muss kraft dieser Anordnung als dauernde Einrichtung in der Kirche fortbestehen, da sie ja, auf Felsen gegründet, unerschüttert stehen wird bis zum Ende der Zeiten. Niemand kann tatsächlich daran zweifeln, ja allen Jahrhunderten ist es bekannt, dass der Fürst und das Haupt der Apostel, die Säule des Glaubens und das Fundament der katholischen Kirche, der heilige Petrus aus den Händen unsres Herrn Jesus Christus, des Heilands und Erlösers des Menschengeschlechtes, die Schlüssel des Reiches empfangen hat: Petrus, der bis zum heutigen Tag und immerfort weiterlebt und sein Herrscher- und Richteramt ausübt in seinen Nachfolgern, den Bischöfen auf dem heiligen Römischen Stuhl, den er selbst gegründet und mit seinem Blute geweiht hat.

Wer immer daher auf diesem Stuhl Nachfolger Petri wird, der erlangt nach der Bestimmung Christi selbst auch den Primat Petri über die gesamte Kirche. „Es bleibt also in Kraft, was die Wahrheit angeordnet hat. Der heilige Petrus bleibt, was er geworden: der unverrückbare Fels. Das Steuer der Kirche, das ihm in die Hand gegeben wurde, lässt er nicht mehr fahren." Aus diesem Grund mussten jederzeit alle Einzelkirchen, das heißt die Gläubigen allerorten, mit der Römischen Kirche wegen ihrer obrigkeitlichen Stellung übereinstimmen. Bei diesem Stuhl, der die Quelle des Rechtes ist, das alle zu heiliger Gemeinschaft verbindet, sollten sie als mit dem Haupt verbundene Glieder zu einem Lebensgefüge, zu einem Leib zusammenwachsen.

[Canon] Wenn also jemand sagt, es sei nicht Einsetzung Christi des Herrn oder göttliche Rechtsanordnung, dass der heilige Petrus in seinem Primat über die ganze Kirche beständig Nachfolger habe, oder der ordnungsgemässe römische Bischof sei nicht der Nachfolger des heiligen Petrus in eben diesem Primat, so sei er im Bann.

Gestützt auf die klar verständlichen Aussprüche der Heiligen Schrift und im Anschluss an das, was deutlich und offenkundig in den Dekreten Unserer Vorgänger, der römischen Päpste, wie der allgemeinen Konzilien gesagt wird, erneuern Wir deshalb die Erklärung des allgemeinen Konzils von Florenz, wonach alle Christen [folgende Wahrheiten] zu glauben haben:

Der heilige Apostolische Stuhl oder der römische Papst hat den Primat über den gesamten Erdkreis inne. Der römische Papst ist der Nachfolger des heiligen Apostelfürsten Petrus; er ist wirklich der Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche, der Vater und Lehrer aller Christen; ihm ist von unserm Herrn Jesus Christus im heiligen Petrus die Vollgewalt übergeben, die gesamte Kirche zu weiden, zu regieren und zu leiten; ganz wie es auch in den Akten der allgemeinen Konzilien und in den heiligen Canons enthalten ist.

Wir lehren demnach und erklären, dass auf Anordnung des Herrn die römische Kirche über alle andern Kirchen den Vorrang der ordentlichen Gewalt besitzt und dass diese wahrhaft bischöfliche Regierungsgewalt des römischen Papstes [die Untertanen] unmittelbar erfasst.

Ihr gegenüber sind daher die Gläubigen und die Hirten jeglichen Ritus und Ranges, und zwar sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtheit, zu hierarchischer Unterordnung und zu wahrem Gehorsam verpflichtet. Und das nicht nur in Fragen des Glaubens und des sittlichen Lebens, sondern auch in allem, was zur Disziplin und zur Regierung der Kirche auf dem ganzen Erdenrund gehört.

Wenn diese Einigkeit mit dem römischen Papst in den rechtlichen Gemeinschaftsbeziehungen wie im Bekenntnis des gleichen Glaubens treu bewahrt ist, so wird die Kirche Christi wirklich zu Einer Herde unter Einem obersten Hirten.

Das ist die katholische wahre Lehre: Von ihr kann niemand abgehen, ohne an seinem Glauben und an seinem Heil Schiffbruch zu leiden.

Diese Gewalt des Papstes beeinträchtigt jedoch keineswegs die ordentliche und unmittelbare Regierungsgewalt der Bischöfe, kraft deren sie, die vom Heiligen Geist bestellten Nachfolger der Apostel, als wahre Hirten ihre Herde, wie sie jedem einzelnen anvertraut ist, weiden und führen. Im Gegenteil, die bischöfliche Gewalt erfährt von Seiten des über alle gesetzten Oberhirten in vermehrtem Maß Anerkennung, Nachdruck und Schutz.

Das hat der heilige Gregor der Große ausgesprochen mit den Worten: „Die Ehre der ganzen Kirche betrachte im als meine Ehre; die ungeschwächte Autorität meiner Brüder ist mein Ansehen; dann sehe im mich in Wahrheit geehrt, wenn keinem von ihnen die schuldige Ehre versagt wird."

Aus dieser obersten Regierungsgewalt des römischen Papstes über die Gesamtkirche ergibt sich sodann sein Recht mit den Hirten und Herden der ganzen Kirche frei in Ausübung dieses seines Amtes zu verkehren, um sie auf dem Weg des Heiles belehren und führen zu können.

Deshalb verurteilen und verwerfen Wir entschieden jene Ansichten, die es für erlaubt hinstellen, den Verkehr des Oberhirten mit den Hirten und Herden zu verhindern, oder die ihn der Aufsicht der weltlichen Gewalt unterwerfen wollen. Nach diesen sollen die Verordnungen, die vom Heiligen Stuhl oder mit seiner Autorität zur Regierung der Kirche erlassen werden, keine Gesetzeskraft noch Gültigkeit besitzen, wenn sie nicht durch einen billigenden Entscheid der weltlichen Regierungen Bestätigung finden.

Der römische Papst besitzt also in dem kraft höchster göttlichen Rechtes bestehenden Apostolischen Primat die oberste Macht in der ganzen Kirche.

Darum lehren und erklären Wir auch, dass er der oberste Richter der Gläubigen ist und dass in allen Angelegenheiten, die in den Schiedsbereich der Kirche fallen, die Berufung an sein Urteil offen steht.

Ist aber vom Heiligen Stuhl, dessen Autorität die höchste ist, ein richterlicher Spruch ergangen, hat kein Mensch das Recht, diesen noch einmal zur Verhandlung zu stellen oder sich als Richter darüber aufzuwerfen.

Vom rechten Weg irren daher jene ab, die behaupten, es sei erlaubt, von den Entscheidungen der römischen Päpste an ein allgemeines Konzil zu appellieren, als wäre ein solches eine dem römischen Papst übergeordnete Behörde.

[Canon] Wenn also jemand sagt, der römische Papst habe bloß ein Amt der Überwachung oder einer gewissen Leitung, nicht aber die volle und höchste Jurisdiktionsgewalt über die gesamte Kirche, und das nicht nur in den Fragen des Glaubens- und Sittenlebens, sondern auch in allem, was zur Aufrechterhaltung der Ordnung (Disziplin) in der Kirche und zu ihrer Regierung auf der ganzen Welt gehört; oder wer sagt, der Papst habe bloß einen größeren Teil, nicht aber die ganze Fülle höchster Gewalt, oder diese Gewalt sei keine ordentliche und unmittelbare über die Gesamtheit der Kirchen wie über jede einzelne, über alle Hirten und Gläubigen wie über jeden einzelnen: der sei im Bann.

Im Apostolischen Primat aber, den der römische Papst als Nachfolger des Apostelfürsten Petrus über die ganze Kirche innehat, ist auch die oberste Lehrgewalt eingeschlossen. Daran hat der Heilige Stuhl immer festgehalten; das beweist deren beständige Ausübung in der Kirche, und das haben die allgemeinen Konzilien selbst deutlich erklärt, besonders jene, auf denen der Orient mit dem Okzident zur Einheit des Glaubens und der Liebe sich verband.

So haben die Väter auf dem vierten Konzil zu Konstantinopel, bestrebt auf den Wegen ihrer Vorfahren zu wandeln, folgendes feierliche Bekenntnis abgelegt: „Die Regel des rechten Glaubens bewahren ist der Anfang des Heiles. Da aber kann das Wort unsres Herrn Jesus Christus nicht außer acht gelassen werden: ,Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will im meine Kirche bauen. Die Wahrheit dieses Ausspruches beweisen die geschichtlichen Tatsachen.

Stets blieb beim Apostolischen Stuhl die katholische Religion unversehrt erhalten; allzeit stand bei ihm die Glaubenslehre hoch und heilig in Ehren. Von seinem Glauben und von seiner Lehre wollen wir uns darum um keinen Preis trennen. Wir hoffen vielmehr, dass wir würdig seien, in der Einen Gemeinschaft zu stehen, die der Apostolische Stuhl verkündet. In ihr ist die Wahrheit und Unversehrtheit der christlichen Religion ganz und voll gewährleistet.

Das zweite Konzil von Lyon aber gab folgendem Bekenntnis der Griechen seine Zustimmung: „Die heilige Römische Kirche besitzt den höchsten und vollen Primat und obrigkeitlichen Rang über die gesamte katholische Kirche. Sie anerkennt in voller Wahrheit und zugleich in aller Demut, dass er ihr im heiligen Petrus, dem Fürsten der Apostel und ihrem Oberhaupt, dessen Nachfolger der römische Papst ist, vom Herrn selbst zugleich mit der Fülle der Gewalt verliehen wurde. Wie es nun vor allen andern ihre Pflicht ist, die Wahrheit des Glaubens zu verteidigen, so soll auch ihrem Urteil die Entscheidung in allen auftauchenden Glaubensfragen vorbehalten sein“.

Endlich hat das Konzil von Florenz feierlich erklärt: „Der römische Papst ist der wahre Stellvertreter Christi, er ist das Haupt der ganzen Kirche, der Vater und Lehrer aller Christen. Ihm ist im heiligen Petrus die Vollgewalt von unserm Herrn Jesus Christus übergeben worden, die Gesamtkirche zu weiden, zu leiten und zu regieren."

Um diesem Hirtenamt zu entsprechen, haben Unsere Vorgänger bisher keine Mühe gescheut, der heilspendenden Lehre Christi bei allen Völkern der Erde Eingang zu verschaffen. Und mit nicht geringerer Sorge wachten sie darüber, dass diese Lehre überall, wo sie Aufnahme gefunden, auch unverfälscht und rein erhalten bliebe.

Deswegen haben die Bischöfe der ganzen Erde, bald einzeln bald auf Synoden, nach alter Gewohnheit aller Kirchen und nach seit alter Zeit befolgtem Grundsatz gerade jene Gefahren stets an den Apostolischen Stuhl berichtet, die sich im Bereich des Glaubens erhoben. Sie taten das in der Absicht, dass die Glaubensschäden vor allem an der Stelle geheilt werden, wo dem Glauben eine Fälschung nicht widerfahren kann.

Die römischen Päpste aber haben dann das als festzuhaltende Lehre erklärt, was sie unter göttlichem Beistand als mit der Heiligen Schrift und den apostolischen Überlieferungen im Einklang stehend erkannt hatten. Zu dem Zweck beriefen sie, je nachdem Zeitumstände und Weltlage es nahe legten, entweder allgemeine Konzilien, oder befragten die auf dem ganzen Erdkreis verbreitete Kirche über ihre Glaubensansicht; andere Male wieder geschah es auf kleinem Synoden, oder sie bedienten sich andrer Hilfsmittel, wie sie die göttliche Vorsehung ihnen gerade darbot. Denn Petri Nachfolgern ward der Heilige Geist nicht dazu verheißen, dass sie aus seiner Eingebung heraus neue Lehren verkündeten. Ihre Aufgabe ist vielmehr, die von den Aposteln überlieferte Offenbarung oder das anvertraute Glaubensgut unter dem Beistand des Heiligen 'Geistes gewissenhaft zu hüten und getreu auszulegen.

Die von den Päpsten verkündet apostolische und Lehre haben denn auch die altehrwürdigen Väter ohne Ausnahme angenommen, und die rechtgläubigen, heiligen Lehrer sind ihr ehrfürchtig gefolgt. Denn sie wussten zu klar, da der Lehrstuhl des heiligen Petrus von jedem Irrtum immerdar frei bleiben werde, weil der Herr, unser Erlöser, dem obersten seiner Jünger das göttliche Versprechen, getan: „Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke, und du hinwieder stärke dereinst deine Brüder.“

Diese Gnadengabe der Wahrheit und nie wankenden Glaubens ist also Petrus und seinen Nachfolgern auf diesem Stuhl von Gott verliehen worden, damit sie ihres erhabenen Amtes zum Heil aller walten können; damit durch sie die ganze Herde Christi vom Giftkraut des Irrtums ferngehalten und auf den Fluren der himmlischen Lehre geweidet werde; endlich damit die ganze Kirche nach Beseitigung jedes Anlasses zur Spaltung in der Einheit bewahrt bleibe, und auf ihr Fundament gestützt den Anstürmen der Hölle standhalten könne.

Obwohl nun gerade die gegenwärtige Zeit der heilbringenden Wirkkraft des Apostolischen Amtes so dringend bedarf, gibt es dennoch nicht wenige, die sich seiner Autorität nicht fügen wollen. Darum erachten Wir es für durchaus geboten, den einzigartigen Vorzug, mit dem der eingeborne Sohn Gottes das oberste Hirtenamt huldvoll ausgestattet hat, in feierlicher Erklärung auszusprechen:

»Im treuen Anschluss also an die Überlieferung, wie Wir sie von der ersten Zeit des Christentums an überkommen haben, lehren Wir zur Ehre Gottes unsres Heilandes. zur Verherrlichung der katholischen Religion und zum Heil der christlichen Völker, unter Zustimmung des heiligen Konzils, und erklären es als von Gott geoffenbartes Dogma:

[Canon] Wenn der römische Papst „ex Cathedra“ spricht, - das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen mit seiner höchsten Apostolischen Autorität erklärt, dass eine Lehre, die den Glauben oder das sittliche Leben betrifft, von der ganzen Kirche gläubig festzuhalten ist, - dann besitzt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei Entscheidungen in der Glaubens- und Sittenlehre ausgerüstet wissen wollte. Deshalb lassen solche Lehrentscheidungen des römischen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar schon von sich aus, nicht erst infolge der Zustimmung der Kirche. Wer sich aber vermessen sollte, was Gott verhüte, dieser Unserer Glaubensentscheidung zu widersprechen: der sei im Bann."

Gegeben zu Rom, in feierlicher, öffentlicher Sitzung in der Vatikanischen Basilika,
im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1870, am 18. Juli.
im fünfundzwanzigsten Jahr Unseres Pontifikates.

Joseph, Bischof von St. Pölten,
Sekretär des Vatikanischen Konzils.

PIUS PP. IX.

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Vgl. 1 Petr 2,25.
Joh 17,20 ff.
Vgl. Joh 20, 21.
Leo I serm. 4 (al. 3.) c. 2. in diem natalis sui.
Joh 1,41.
Mt 16,16ff.
Joh 21,15ff.
1 Petr 5,4.
Hebr 13,20.
Vgl. Konzil von Ephesus, Actio III.
S. Leo der Große, Sermo 3 de natali ipsius c. 3.
VgI S. Irenaeus, Adv. haereses 1.3, c.3.
S. Ambrosius, Ep.11, n.4.
Konzil von Florenz, Bulle »Laetentur coeli«.
Vgl. Joh 10,16.
Ep. 1.8, cp. 30 ad Eulogium Episc. Alexandrinum.
Pius VI Breve Super soliditate 28. Nov. 1786.
Zweites allgemeines Konzil von Lyon.
Vgl. Ep. Nicolai I ad Michaelem Imper.
Mt 16, 18.
4. Konzil von Konstantinopel, Actio I formula Hormisdae Papae.
2. Allgem, Konzil von Lyon.
Konzil von Florenz, Bulle »Laetentur coeli«.
Vgl. S. Bern. epist. 190.
Lk 22, 32.

(PH)

Ansprache von Papst Pius IX. zum Schluss der vierten Sitzung an die Konzilsväter
„Ehrwürdige Brüder, die (eben gezeichnete) höchste Autorität des römischen Papstes ist keine Last sondern eine Hilfe, nicht Niederbruch sondern Aufbau, ja gar oft ist sie für die Würdenträger Stütze und ein Band der Liebe und für die bischöflichen Amtsbrüder Schutz und Halt ihrer Rechte.

Diejenigen die jetzt in Aufregung urteilen (gemeint sind die Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas) mögen daher wissen, dass „im Sturm der Herr nicht ist" (1 Kön 19, 11). Sie mögen sich erinnern, dass sie noch vor wenigen Jahren mit Uns und dem Großteil dieser erhabenen Versammlung die entgegengesetzte Ansicht eifrig verfochten haben: damals urteilten sie „im sanften Wehen des Geistes" (1 Kön 19,12) ... Möchte Gott, der allein große Wunder tun kann, Verstand und Herz aller erleuchten, damit sich alle der Vaterbrust des unwürdigen Stellvertreters Jesu Christi auf Erden nahen können, der sie innig liebt und eins zu sein wünscht mit ihnen.

Dann werden wir, durch das Band der Liebe verbunden, die Kämpfe für den Herrn führen können, so dass uns unsre Feinde nicht nur nicht verspotten,
sondern sich vielmehr vor uns fürchten, die Waffen der Bosheit vor der Wahrheit weichen und wir einmal alle mit St. Augustin sprechen dürfen: ,Du hast mich in dein wunderbares Licht gerufen, und ich sehe!'"

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(PH)

 
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